Ich weiß, was Du letzten Sonntag gepostet hat

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Ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie. Und nochmal: Ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie.

Was für jeden Normalbürger wie eine gewöhnliche Grammatikübung aussieht, ist für Amerikas Geheimdienste vor allen Dingen eines: verdächtig. Denn wie die „Süddeutsche Zeitung“ in dem äußerst aufschlussreichen Artikel „Schnüffel in den Tweets“ berichtet, durchforsten CIA, FBI & Co das Social Web nicht nur nach Schlüsselworten, die eine gewisse Gewaltbereitschaft vermuten lassen, zum Beispiel das berühmte B-Wort.

Sie untersuchen auch die Syntax der Sätze, und zwar nach der erstaunlichen Anzahl von 262 Merkmalen, darunter Anzahl und Anordnung der sogenannten Funktionswörter. Dazu zählen Pronomen, Präpositionen, Artikel und Hilfsverben. Diese erlauben nach Ansicht der Schlapphüte Rückschlüsse auf die Denkweise der Verfasser. Gewaltbereite Terroristen nutzten beispielsweise doppelt so häufig Personalpronomen wie harmlose Autoren. Vermutlich weil sie häufig Sätze formulieren wie „Wir müssen gegen sie kämpfen“!

Auch Liebespaare benutzen viele Personalpronomen

Das Problem ist nur, dass auch Liebespaare, die ob weiter Entfernungen hauptsächlich per E-Mail kommunizieren, viele Personalpronomen einsetzen, zum Beispiel „Ich vermisse Dich“, „Du fehlst mir“ oder das ganz klassische „Ich liebe Dich“. Um nicht ins Fadenkreutz der Online-Fahnder zu geraten, müssten sie sich genau genommen künftig Zeilen schicken, die ungefähr so lauten: „Es steht unbestritten fest, dass der Empfänger dieser Mail vom Verfasser geliebt wird.“

Für Beamte dürfte das kein Problem sein. Schließlich produzieren sie von Berufs wegen tagtäglich einen mit Substantiva und Passiva durchtränkten Kauderwelsch, der Sprachpäpste wie Rolf Schneider („Deutsch für Profis“) stets zur Raserei bringt. Und vermutlich stellen sie ihre Heiratsanträge DIN A 4 gelocht mit Durchschlagpapier. Schließlich benutzen die meisten Staatsdiener immer dreilagiges Klopapier, weil sie für jeden Scheiß zwei Durchschläge brauchen.

Doch jeder, der auch nur ein klitzekleines Gespür für Romantik hat, dürfte einen großen Bogen um behördenähnliche Sprachverrenkungen machen. Er oder sie muss somit auf die gute alte Schneckenpost zurückgreifen, die ausgedruckte oder handgeschriebene Briefe transportiert. Denn diese entziehen sich noch Datenkranken wie Google und Facebook, bei denen sich die Geheimdieste eifrigst bedienen. Betonung auf „noch“. Denn irgendwann hat Google im Rahmen des Projektes Google Books alle Bücher der Welt eingescannt. Ein Achtel der Menge, sprich 15 Millionen Bücher, hat der Suchmaschinenbetreiber schon geschafft. Dann dürfte das nächste Großprojekt nicht lange auf sich warten lassen: Google Letters. Die Begründung dürfte die gleiche sein wie bei Google Books: „Wir wollen das Wissen der Welt allen Nutzern verfügbar machen.“

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