„Es ist eine gesunde Sensibilität eingezogen“

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Special-Keys-Chef Hans-Christian Biedermann

Interview mit Hans Christian Biedermann, Managing Partner von der Testimonial-Agentur Special Keys, über den Einsatz von Politikerfrauen in der Modewerbung

Bettina Wulff trug kürzlich ein Abendkleid von Basler und wurde dafür  im Zuge der Debatte um die Vergünstigungen für ihren Ehemann Christian Wulff – stark kritisiert. Ist die Präsidentengattin ein Einzelfall oder ist Testimonial-Webung in der Politik schon gang und gäbe`?

Hans Christian Biedermann: Karin Stoiber ist bekennender Escada-Fan. Doris Schröder Köpf trägt gern Ouffits von Karstadt. Sie sitzt auch im Aufsichtsrat des Konzerns. Minu Barati Fischer, die Frau von Joschka Fischer, trägt gern Unrath & Strano. Sie ist mit Claus Unrath gut befreundet.

Wie kommen die Damen an die Outfits?
Politikerfrauen orientieren sich bei ihren Outfits gern an den Fashion-Ikonen aus der Film- und Fernsehbranche. Insbesondere bei Schauspielerinnen aus ihrem Freundeskreis, die genau jenen Look haben, die für die Polit-Gattin auch passt. Da wird dann schon einmal nachgehakt, ob es nicht möglich wäre, eine derartige Garderobe für einen Filmball, eine Ausstellungseröffnung oder eine Charity-Gala zu bekommen. Etwa so: „Deine Kleider finde ich klasse, das trifft genau meinen Stil. Kannst Du bitte für mich fragen?“ Es macht sich nämlich nicht gut, selbst beim Lieblingslabel anzurufen. Das ist zu plump. Teilweise sprechen die Veranstalter von A-List-Events das Büro eines Politikers an und sagen gleich bei der Einladung, dass man natürlich gern behilflich ist, für die Gattin oder auch den Politiker selbst ein veranstaltungskompatibles Outfit bereitzustellen. Quasi als Komplettpaket.

Was umfasst das Paket sonst noch?
Viele Modemarken haben bei Top-Veranstaltungen wie dem Bambi in benachbarten Hotels ganze Suiten gebucht, wo die Gäste ihr Wunsch-Outfit ausleihen können. In einer Suite sind die neuesten Abendkleider, in der nächsten das Haarstudio. Dann geht’s weiter in den Make-up-Bereich. Nach einem Rundgang ist man perfekt ausstaffiert für den Abend. Das ganze kann man natürlich nicht kaufen, das gibt’s nur auf Einladung. Denn die Marken haben ganz klare Vorstellungen, welche Persönlichkeit zu ihrer Philosophie und ihrer Positionierung passt.

Erhalten die Frauen die Kleider umsonst?
Die Society Ladies bekommen die Eventgarderobe in der Regel gestellt. Aber nur leihweise. Die Branche, aber auch die ausgestatteten Event-Gäste sind mittlerweile sensibilisiert. Und wenn ein Teil einmal besonders gut gefallen hat, dann kann man nach dem Event immer noch zuschlagen und das Outfit zum Freundschaftspreis käuflich erwerben. Je prominenter und werbewirksamer die Prominente ist, desto höher fällt dann in der Regel der Rabatt aus. Die Politikergattinen sollten dann aber bei den Presse-Talks schon fallen lassen, welche Marke sie gerade tragen. Gleiches gilt bei den populären Homestories, die am liebsten kurz vor anstehenden Wahlen in die Medien gelangen. Dort muss zumindest bei den Credits neben den Fotos zu lesen sein, von wem die Kleidung ist.

Passen die Kleider auch zu den Personen?
Die prominenten Kleiderkundinnen bekommen in der Regel Outfits gestellt, die ein leichtes Upgrade gegenüber ihrer sonstigen Garderobe darstellen. Als Gipfel der Exclusivität gilt, wenn eine Prominente ein Abendkleid bekommt, das so noch gar nicht im Handel erhältlich ist. So ist sichergestellt, dass keine andere Dame an diesem Abend das gleiche Kleid trägt. Wer so exklusiv unterwegs ist, sollte sich im Sinne eines Geben und Nehmens als Gegenleistung auch einmal auf der Modenschau des Ausstattungspartners sehen lassen.

Werden aktive Politiker auch ausgestattet?
Hauptstadt-Regent Klaus Wowereit wird vor seinen Besuchen bei ausgewählten Shows der Berlin Fashion Week auch mit dem neuesten versorgt, das die Herrenausstatter – bevorzugt die Metzinger – zu bieten haben. Nicht ohne Grund: Die Stilbibel „GQ“ hat „Wowi“ 2011 zu ihrem „Man of the Year“ gekürt.

Kann man Frau Wulff ähnliche Komplimente machen?
Bettina Wulff macht sich als Präsidentengattin richtig gut. Sie wählt ihre Kleidung geschickt – dem jeweiligen Anlass entsprechend – aus. Bevor ihr Mann Bundespräsident wurde, legte sie weit weniger Wert auf ihre Kleidung.

Hat Bettina Wulff in der Welt der Fashion-Ausstatter so etwas wie verbrannte Erde hinterlassen?
Das nicht, aber sie hat auf jeden Fall für eine erhöhte Alarmbereitschaft gesorgt. Im Zuge der aktuellen Compliance-Diskussionen machen sich Politikerfrauen in diesem Jahr noch mehr Gedanken. Ihnen ist wichtig, dass sie ihre schönen Garderobenteile entweder kaufen oder nur leihen. Und nicht – wie vor wenigen Jahren noch üblich – vor jedem wichtigen Event große Pakete von den angesagten Designern in ihren Villen anliefern lassen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Die Politikergattinnen wollen alles vermeiden, was dem Image ihres Gatten in Amt und Würden schaden könnte.

War da vor der Wulff-Debatte auch schon der Fall?
Die aktuelle Krise ist nur der Tropfen auf den heißen Stein. Gerade im vergangenen Jahr hat man als Branchen-Insider bereits gesehen, dass eine gesunde Sensibilität eingezogen ist, die jetzt durch die Präsidenten-Debatte weiter an Hitze gewonnen hat. Beim Fernsehpreis Anfang Februar werden wir sicherlich beobachten, dass die ein oder andere Prominente auf die Journalistenfrage, ob das das schöne neue Kleid von Designer A oder Label B sei, selbstbewusst antwortet: „Weder noch, das ist Vintage – aus meinem eigenen Kleiderschrank. Und das ist auch gut so!“

 

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